Das Thema

Kurzleitfaden für Gewässerbewirtschafter: Mit Totholz Fischbestände & Artenvielfalt erhöhen

Projekt Baggersee

Sie möchten mehr Fische und Artenvielfalt im Baggersee? Dies kann durch das Einbringen von Totholz gelingen. Wie das funktioniert, erfahren Sie hier.

Warum Totholz ins Wasser einbringen?

Exkurs in die Ökologie

Seen sind artenreicher, wenn sie großräumig viele verschiedene Strukturen bieten. Von Insekten über Amphibien, Fischen und Vögeln findet so jede Art ihren bevorzugten Lebensraum im und am Wasser. Eine naturnahe Uferzone ist gekennzeichnet durch Unterwasserpflanzen, Schilf- und Röhricht, Wurzelwerk, überhängende Äste sowie Totholz entlang der Uferlinie im Flachwasser. Diese Strukturen bieten Insektenlarven Nahrung und kleinen Fischen Schutz vor Fraßfeinden. Entlang der gesamten Nahrungskette profitieren die Tiere von solchen Strukturen.

Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Fischbesatz als bestandserhöhende Maßnahme häufig wirkungslos bleibt und dazu ökologische Risiken birgt. Ein anderer Ansatz, wie Sie Ihre Fischbestände erhöhen können, besteht darin, eine erfolgreiche und natürliche Verlaichung zu ermöglichen und die ökologische Tragekapazität (also die Menge an Fisch, die ein Gewässer natürlicherweise beheimaten kann) zu erhöhen. Dies kann Ihnen gelingen, indem Sie Uferstrukturen schaffen – als „Kinderstube“ für Jungfische und deren Nahrungsquellen. Das Projekt Baggersee testet, inwiefern das Einbringen von Totholz als Maßnahme dafür geeignet ist. Wir möchten Sie dazu ermutigen, mit eigenen Totholzprojekten Ihre Baggerseen aufzuwerten. Die Belohnung ist im besten Fall ein erhöhter Fischbestand und mehr Artenreichtum an Ihrem Baggersee.

 

 

Totholz als Ersatzhabitat in Baggerseen

Nicht alle Gewässer sind für ein hohes Aufkommen von Wasserpflanzen geeignet. Besonders Baggerseen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig nährstoffarm, tief und steilscharig sind. Aufgrund des fehlenden Lichts in der Tiefe und schlechten Wurzelmöglichkeiten an steilen Uferkanten können Pflanzen hier kaum ansiedeln. Zudem ist an relativ jungen Baggerseen die Suksession (natürliche Tier- und Pflanzenbesiedlung) im und um das Gewässer noch wenig fortgeschritten. In dem Fall kann für Sie das künstliche Einbringen von Totholzbündeln eine wirkungsvolle und kostengünstige Lösung sein, fehlende Strukturen zu ersetzen. Studien mit Unterwasserkameras und Elektrofischerei haben gezeigt, dass Totholzbündel im Uferbereich von Seen sehr gut von den Fischen angenommen werden. Dies gilt insbesondere für Flussbarsche und Hechte. Besonders im Winter, wenn Pflanzen naturgemäß absterben, gewinnen diese permanenten Ausgleichshabitate an Bedeutung. Neben den Fischen profitieren potentiell auch Amphibien, Libellen und weitere wirbellose Arten von der Maßnahme. Das Projekt BAGGERSEE erforscht derzeit, ob die Fischbestände und die allgemeine Artenvielfalt durch das Einbringen von Totholz tatsächlich erhöht werden. Ergebnisse sind im Jahr 2022 zu erwarten.

 

Wer darf Totholzmaßnahmen am Wasser durchführen?

Meistens wird das Einbringen von Totholz als geeignete Maßnahme im Rahmen einer nachhaltigen (fischereilichen) Gewässerhege gesehen und bedarf daher oft keiner wasserrechtlichen Genehmigung. Die Entscheidung darüber muss dennoch von der zuständigen Wasserbehörde getroffen werden, die Sie im Vorfeld unbedingt kontaktieren sollten. Grundsätzlich sind Sie als Gewässerpächter in der Lage und auch befugt, Totholzeinbringungen eigenverantwortlich durchzuführen.

 

Welche Hölzer sind geeignet und wo können diese beschafft werden?

Eigenen Gehölzschnitt am Wasser verwenden

Am besten eignen sich Laubhölzer für das Erstellen von Totholzbündeln, denn diese haben eine lange Haltbarkeit. Laubhölzer fallen z.B. dann an, wenn Sie den Baumbewuchs an Ihrem Gewässer zurückschneiden. Diesen Grünschnitt können Sie direkt vor Ort bündeln und ins Wasser einbringen. Die Größe der Bündel richtet sich nach dem, was Sie tragen können.

Forstämter einbinden

Alternativ können Sie bei den örtlichen Forstämtern nach Laubkronenschnitt anfragen. Im Projekt BAGGERSEE wurden große Bündel von drei Metern Länge und einem Gewicht von rund 300 kg Gewicht eingebracht, welche mithilfe der Niedersächsischen Landesforsten hergestellt wurden. Gerne stellen wir diesen Kontakt für Sie her. Bei so großen Dimensionen benötigen Sie jedoch maschinelle Hilfe beim Einbringen der Bündel in Ihrem See.

 

Welche Vorarbeiten und Genehmigungen sind erforderlich?

Bevor Sie starten, empfehlen wir eine Vorortbegehung. Hier können Sie geeignete Stellen für die Totholzeinbringung identifizieren und festlegen, an welchen Stellen Sie Gehölze fällen oder beschneiden möchten. Unbedingt zu beachten sind die gesetzlichen Vorgaben. Beispielsweise dürfen in der Brut- und Setzzeit natürlich keine Baumschnitte durchgeführt werden. Laut Bundesnaturschutzgesetz sind solche Holzarbeiten nur zwischen dem 01. Oktober und Ende Februar gestattet. Gegebenenfalls holen Sie dafür Mitarbeitende aus Naturschutz und Forstwirtschaft mit an Bord. Nach unserer Erfahrung steigt zudem die Akzeptanz der Maßnahmen, wenn Sie diese vorher mit den Mitgliedern Ihres Vereins besprechen und abstimmen.
In jedem Fall sollten Sie überprüfen, ob Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebiets-verordnungen einer Maßnahme entgegenstehen. Sollte beispielsweise das Freischneiden von Angelplätzen oder Gehölzschnitt am Gewässer verboten sein, benötigen Sie eine entsprechende Ausnahmegenehmigung. Zudem sollten Sie die zuständigen Naturschutz- und Wasserbehörden kontaktieren, um sicherzugehen, ob Sie eine wasserrechtliche Genehmigung benötigen.

 

Bündelung von Laubhölzern oder ganze Bäume versenken?

Ganze Baumkronen versenken

Wenn handhabbar, können Sie ganze gefällte Baumkronen im Gewässer versenken oder natürlich umgeknickte Bäume einfach im Wasser liegen lassen. Ganze Baumkronen ohne Stamm müssen beschwert werden. Geeignet sind dafür Jutesäcke gefüllt mit Sand, Kies oder schweren Steinen (alles Naturmaterialien), welche Sie mit Hilfe von natürlich abbaubarem Pressengarn aus Jute oder Hanf am Gehölz befestigen. Das Pressengarn, oder auch Erntegarn genannt, ist zu sehr günstigen Preisen auf großen Rollen im Landwirtschaftshandel erhältlich und kann als reiner Naturstoff gekauft werden. Sowohl die Jutesäcke als auch das Pressengarn sind ausgesprochen nährstoffarm und verrotten binnen 24 Monaten vollständig.

Kleinere Äste bündeln

Kleinräumige Strukturen mit viel Oberfläche und damit viel potentiellem Lebensraum schaffen Sie durch das Bündeln von dünneren Ästen. Solche Totholzbündel können Sie selbst herstellen. Beachten Sie aber das Gewicht, denn das Gebinde muss am und auf dem Wasser noch bewegt werden, bis es versenkt werden kann. Das empfohlene Gewicht richtet sich danach, was Sie mit eigener Kraft transportieren können (erfahrungsgemäß nicht über 50-80 kg). Steht ein Bagger zur Verfügung, kann das Gewicht entsprechend schwerer ausfallen. Im Projekt BAGGERSEE wurden Bündel mit einem Gewicht von 300 kg eingebracht. Dies ist für Sie ohne maschinelle Hilfe jedoch weder handhabbar, noch nötig.

 

Bündel zusammenbinden und beschweren

In der Praxis hat es sich bewährt, die zu bündelnden Äste und Stämme zunächst mit dicken Spanngurten zu fixieren. Dafür breiten Sie die Gurte aus, legen ausreichend Äste darauf, schließen die Gurte und spannen diese. Bei einer beispielhaften Bündellänge von zwei Metern sollten Sie mindestens drei Spanngurte verwenden. Jeweils ein Gurt zu den Enden und einer in der Mitte. Bei Bedarf können es auch mehr sein. So entsteht ein geformtes Bündel welches Sie eng mit dem Pressengarn umwickeln können und zwar alle 30 - 40 cm entlang des Bündels. Anschließend können Sie die Spanngurte entfernen und die Bündel ausbringen. Damit ihr Totholz nicht aufschwimmt, sollten Sie dieses noch beschweren. Dazu eignen sich die oben erwähnten Jutesäcke, gefüllt mit schweren Naturmaterialien (Sand oder Kies), welche Sie an den Bündeln ebenfalls mit Pressengarn befestigen.

 

Einbringen von Totholzbündeln im Projekt BAGGERSEE

 

Einbringen von Totholzbündeln im Rahmen einer selbst organisierten Aktion des Angelsportverein Glück Auf e.V. Lengede

Was passiert mit der Beschwerung?

Die Jutesäcke verwittern nach ein bis zwei Jahren. Gleiches gilt für das Pressengarn. Das Holz saugt sich bereits nach wenigen Tagen voll mit Wasser und bleibt an der gewünschten Stelle im Uferbereich liegen. Insbesondere wenn Sie es zuvor gebündelt haben.

 

Wie bringen Sie das Holz ins Wasser?

Die Bündel verteilen Sie mit Ihren Helfern und einem Motorboot entlang der Uferlinie. Dazu wird das Holzbündel parallel seitlich am Boot festgemacht oder festgehalten, indem Sie ein dickeres Seil längs durch die Umwicklungen des Silagebandes führen. An der gewünschten Stelle angekommen, entfernen Sie das Transportseil und verknoten stattdessen ausreichend beschwerte Jutesäcke an dem Holz, falls dies noch nicht zuvor am Ufer gemacht wurde. Die Holzbündel sinken rasch ab. Achten Sie darauf, die Holzbündel an sehr steilscharigen Ufern im 90° Winkel zum Ufer abzulegen. Ansonsten können die runden Bündel unter Wasser weiterrollen und sinken in die sauerstofffreien Tiefenzonen ab. Das Holz sollte ganzjährig in sauerstoffreichen Zonen liegen. Je nach Gewässer haben sich Tiefen von ein bis drei Metern bewährt. In sehr klaren Seen mit viel Sauerstoff sind auch Maßnahmen bis fünf Metern Tiefe denkbar. Das Holz kann dann aber kaum noch kontrolliert abgesenkt werden, sodass eine flache Ablage viele Vorteile bietet und diese ufernahen Bereiche auch von mehr Tieren besiedelt werden können. Bereits nach wenigen Bündeln stellt sich erfahrungsgemäß eine sichere Routine ein, die einen reibungslosen Arbeitsablauf gewährleistet. Für die Studien im Projekt BAGGERSEE wurde Totholz verteilt auf 20 Prozent der gesamten Uferlinie eingebracht. Daran müssen Sie sich in der Praxis aber nicht zwangsläufig orientieren. Sie können einfach jährlich das Totholz einbringen, welches ohnehin beim Uferschnitt anfällt. Dabei gilt: Ein Bündel ist besser als kein Bündel!

 

Wie viele Personen benötigen Sie?

Für Ihre Totholzaktion benötigen Sie Helfer. Dazu gehören zwei bis drei Personen pro Motorboot. Außerdem empfehlen wir einen Motorsägenführer (ein Motorsägenschein schafft Sicherheit) und die notwendigen Versicherungen für alle Helfer und Ehrenamtlichen. Der Zeitaufwand richtet sich nach der Anzahl Ihrer Helfer und der Menge des Gehölzschnitts und kann hier schlecht beziffert werden. Nach unserer Erfahrung sinkt der Zeitaufwand zur Herstellung und zum Versenken mit jedem Bündel und mit etwas Übung geht die Arbeit rasch von der Hand.

 

Viele flinke Hände machen den Arbeitsaufwand überschaubar und den Einsatz zu einem echten Vereinsereignis.

 

Checkliste für Ihre eigene Totholzaktion

 

Vorbereitung
Erforderliche Genehmigungen/Dokumente 
  • Naturschutz- und Wasserbehörde kontaktieren
  • Versicherungen für Ihre Helfer
 
Ortsbegehungen/Vermessungen 
  • Eventuell Treffen mit Mitarbeitenden aus den Bereichen Naturschutz/Forstwirtschaft, um die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen
  • Besichtigung des Uferbereichs, um die optimale Menge und Platzierung des Totholzes festzulegen. Gibt es Bäume vor Ort, die gefällt werden können?
 
Vorabinformationen der Vereinsmitglieder 
  • Eine Verbreitung von Informationen über Ihre üblichen Kanäle (Mitgliederversammlung etc.) und Mitbestimmung der Angler erhöht die Akzeptanz der Maßnahme. Holzbündel abseits beliebter Angelstellen einbringen, da hohe Hängergefahr droht.
 
Umsetzung
Erforderliche Materialien 
  • Totholz/Kronenschnitt: möglichst Laubkronenschnitt (Nadelhölzer zersetzen sich deutlich schneller)
  • Naturstoffe zum Beschweren der Holzbündel: Jutesäcke gefüllt mit Kies oder Sand
  • Naturgarn zum Bündeln der Holzäste: Pressengarn aus Sisal/Hanf
  • Für Transport und Ausbringung mit dem Boot: Dickeres Seil
 
Erforderliche Geräte 
  • Eventuell Kettensäge (Achtung! Ein Motorsägenschein sorgt für Sicherheit!)
  • Motorboot
  • Eventuell Bagger/Trecker für den Transport der Holzbündel ans Ufer
 
Erforderliches Personal 
  • Eventuell Motorsägenführer
  • Eventuell Bagger/Treckerfahrer
  • 2-3 Personen pro Motorboot
  • Personal zum Füllen der Sandsäcke
  • Personal zum Bündel der Hölzer (alternativ Arbeitsschritte nacheinander ausführen)
 

 


Download

Leitfaden mit Checkliste (S.8) zum Download

Dateigröße: 2 MB


Keine Infos mehr verpassen?

Holen Sie sich Ihr Update zur Forschung rund um Angelfischerei, Fischereimanagement und Fischbiologie direkt ins Postfach!

Gleich den Newsletter abonnieren:

https://www.ifishman.de/news/newsletter/

 


Veröffentlicht :

Schlagwörter : Artenvielfalt, Lebensraumverbesserung,