Ausgangslage

Bedeutung von Fisch

Fische sind ein kostbares Angelgut. Fast alle Fischbestände in Binnengewässern sind durch nichtfischereiliche Einflüsse (zum Beispiel Lebensraumverlust) bedroht. Mit viel Einsatz engagieren sich Gewässerwarte, Fischereifachleute und andere ehrenamtlich wie hauptamtlich agierenden Personengruppen in Angelvereinen und -verbänden intensiv in der Hege und Pflege von Fischpopulationen - und das meist auch sehr erfolgreich. Fische sind darüber hinaus elementarer Bestandteil der Vielfalt von Organismen in natürlichen Flüssen und Seen (aquatische Biodiversität) und wirken in diesen komplexen Ökosystemen sozusagen selbst als „Gewässerwarte“. So beeinflussen sie beispielsweise die Verteilung von Nährstoffen in Flüssen und Seen, kontrollieren über den Fraßdruck andere Glieder im Nahrungsnetz, transportieren nützliche – wie zum Teil schädliche - Stoffe durch die Gewässer und formen durch ihre Wühlaktivitäten manchmal sogar das Sediment. Süßwasserfische gehören weltweit zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren. Etwa die Hälfte aller in Deutschland heimischen Arten ist gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Bedeutung der Angelfischerei

Angler spielen bei der Bewirtschaftung der Fischbestände in Deutschland eine meist unterschätzte, jedoch zentrale Rolle. Sie sind über ihre Vereine oder Verbände nicht nur zur Nutzung von Süßwasserfischbeständen berechtigt, sondern als Eigentümer oder Pächter von Fischereirechten auch zu deren Hege und Pflege verpflichtet. Wieviele Menschen sich mit dieser Form von Freizeitvergnügen, Selbstversorgung und Naturpflege verbunden fühlen, drückt sich beispielsweise im volkswirtschaftlichen Umsatz der Angelfischerei aus. Dieser beträgt in Deutschland etwa 5,2 Mrd. € jährlich. Dem gegenüber stehen lediglich 10 Mio. € pro Jahr in der kommerziellen Seen- und Flussfischerei. Mehrere Millionen Deutsche angeln zum Vergnügen mindestens einmal im Jahr im In- oder Ausland. Fast 1.5 Millionen Fischereischeininhaber sind offiziell registriert. Angler bilden mit Fischbeständen und Gewässern über die Beangelung und die Bewirtschaftung enge Verbindungen, die man wissenschaftlich als direkte Mensch-Umwelt-Beziehungen oder Sozial-Ökologische-Systeme bezeichnet.

Bedeutung von Fischbesatz

Ihrer gesetzlich fixierten Verantwortung für die Gewässerhege und -pflege stellen sich Angelvereine unter anderem durch den periodisch durchgeführten Fischbesatz. Hiermit ist das einmalige oder wiederholte Einsetzen von Fischen in natürliche Gewässer gemeint. Satzfische sind entweder Wildfische oder Tiere, die in der Fischzucht künstlich vermehrt und aufgezogen wurden. Damit sollen, unter anderem, natürliche Fortpflanzungsengpässe kompensiert werden, das fischereiliche Potential erhalten oder gesteigert werden, sowie Fischarten wieder eingebürgert werden. Die Planung und Umsetzung der meisten Fischbesatzmaßnahmen übernehmen die Angelvereine und -verbände in Deutschland größtenteils in Eigenregie. Die dort organisierten Angler haben ein hohes Interesse an nachhaltigen und ökonomisch tragfähigen Besatzpraktiken. Sie haben durch immenses politisches Engagement, meist im Ehrenamt, viele Fischarten vor dem Bestandsrückgang als Folge nicht fischereilicher Einflüsse auf die natürliche Vermehrung bewahrt. Trotzdem gilt: Die Auswirkungen und Erfolge der Besatzmaßnahmen sind nicht bis ins letzte Detail verstanden. Es mehren sich die Hinweise, dass bestimmte Formen von Besatzmaßnahmen überdenkenswert sind, weil sie Auswirkungen auf Gewässer und die genetische Ausstattung von Fischen haben können, die nicht im Vorfeld absehbar sind.

Fischbesatz blickt auf eine lange Tradition zurück und erfordert von den Bewirtschaftern in Angelvereinen und -verbänden viel Einsatz und Kosten. Die Meinungen dazu sind derweil ambivalent: Einerseits sind viele Gewässer von teilweise unwiderruflichen menschlichen Lebensraumveränderungen betroffen, so dass in vielen Fällen das Einbringen von Fischen durch Fischbesatz zur Bestandstützung als nachhaltige Bewirtschaftungspraxis angesehen werden muss. Andererseits werden mit vielen Besatzmaßnahmen Gene in natürliche Bestände eingetragen, die je nach Herkunft, Qualität und Auswahl des Besatzmaterials das natürliche Anpassungspotential der Wildpopulation durch Kreuzungen von Satz- und Wildfischen nachteilig beeinflussen können. Hinzu kommt, dass jede Besatzmaßnahme das Gefahrenpotential in sich birgt, neue Krankheitserreger oder Parasiten einzuführen. Dies kann eine Reihe ökologischer Auswirkungen nach sich ziehen und hat unter Umständen auch wirtschaftliche Konsequenzen für Fischbesatz tätigende Angelvereine. Folgerichtig hat das Verbaucherschutz-Ministerium in einem Strategiepapier aus dem Jahr 2007 zum Erhalt der Agrobiodiversität der Erforschung und Optimierung des Fischbesatzes eine hohe Bedeutung eingeräumt. (Strategiepapier zum Download unter www.bmelv.de)

Der Mangel an objektiven ökologischen und ökonomischen Erfolgsmessungen sowie lückenhafte oder emotional überladene Vorstellungen über die „Risiken und Nebenwirkungen“ von Fischbesatz innerhalb verschiedener Interessengruppen kann gesellschaftliche Konfliktsituationen schüren. Ausdruck dessen sind die gut dokumentierten Kontroversen zwischen Umweltverbänden und fischereilichen Interessensgruppen. Beide Akteursgruppen haben zum Beispiel völlig gegensätzliche Gutachten zu den Auswirkungen und zum Nutzen von Fischbesatz in Binnengewässern vorgelegt. Darüber hinaus weisen Fischereiwissenschaftler und lokale Angelvereine häufig nur wenige Berührungspunkte auf, so dass wissenschaftliches und außerwissenschaftliches Wissen rund um die Bewirtschaftung von Angelgewässer in der Regel nicht zusammengebracht wird.

Eine objektive Bewertung des Fischbesatzes ist aus vielerlei Hinsicht notwendig. Erstens zur Minimierung ökologischer Risiken für Gewässer, zweitens zur Erhöhung der Nutzen-Kosten-Verhältnisse für Fischbesatz tätigende Angelvereine, drittens zur Versachlichung häufig emotional überladener Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessengruppen und schließlich zur Förderung von Fischbeständen und zur Erhöhung der Akzeptanz der ökologischen Bedeutung von Angelvereinen für die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang kann ein unabhängiges, kooperatives Forschungsprojekt zum Fischbesatz zwischen Praxis und Wissenschaft unter Berücksichtigung lokaler ökologischer, ökonomischer und sozialer Spezifika und Bedingungen einen wichtigen Katalysator darstellen.

Zusammenfassung Ausgangslage und Forschungsbedarf

Es gibt zusammenfassend einen hohen Bedarf an partnerschaftlichen und die Praxis einbindenden, das heißt transdisziplinären Forschungsarbeiten zu Angler-Gewässer-Interaktionen, in denen Fischereiwissenschaftler und in Vereinen organisierte Anglern im Fischbesatzkontext kooperieren und Lösungsvorschläge zum Umgang mit nachhaltigem Fischbesatz erarbeiten. In Deutschland sind wegen der in den Angelvereinen verorteten Hege- und Pflegepflicht die Rahmenbedingungen für die Entwicklung solcher Partnerschaften ideal. Bei Besatzfisch werden  Kooperationen aufgebaut und gepflegt.