Hintergrund

Klein aber oho!

Kleinere Seen unter 50 Hektar Wasserfläche werden von der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht erfasst. Genau diese machen im zweitgrößten Bundesland Deutschlands aber den Bärenanteil der Gewässerfläche aus – meist in Gestalt von Baggerseen. Über die ökologische Bedeutung der künstlich geschaffenen Kleinbiotope ist bisher jedoch wenig bekannt. Die meisten werden von Angelnden, Badenden und Spazierengehenden intensiv zur Naherholung genutzt.

30.000 x Natur aus Menschenhand

In Niedersachsen gibt es über 30.000 Baggerseen. Sie machen 70 Prozent der Fläche aller Seen aus. Nur 98 Naturseen über 10 Hektar hat das Land. Der größte natürliche See: das Steinhuder Meer mit 29km2.

Baggerseen - die Freizeitparadiese

Die 30.000 niedersächsischen Baggerseen kommen jedes Jahr auf über 30 Millionen Besuchertage. Wie das? 57 Prozent der Niedersachsen über 18 Jahre (3,8 Millionen Menschen) waren 2017 mehrfach an einem Baggersee. Grundlage der Nutzungsdaten ist eine Bevölkerungsumfrage, die in Niedersachsen, im Jahr 2018, unter 1300 Befragten durch die Technische Universität Berlin im Rahmen von BAGGERSEE durchgeführt wurde.

Forschung mit der Praxis für die Praxis – Angler als Anwälte für die Natur

Aufgrund ihrer gesetzlichen Hegeverpflichtung sind Angelvereine nicht nur Nutzer, sondern auch wichtige Gestalter von Uferhabitaten und Fischbeständen. Bei BAGGERSEE kooperieren Angelpraxis und Gewässerforschende, um den Erholungsnutzen von Baggerseen mit dem Erhalt der Biodiversität in Einklang zu bringen. Dabei kommen ausschließlich Methoden zum Einsatz, die auch nach Projektende von Angelvereinen selbstständig und in Eigenregie umgesetzt werden können. Insgesamt 20 Mitgliedsvereine des Anglerverbandes Niedersachsen e.V., zwei Privatpersonen und ein Naturschutzverein stellen dafür ihre Gewässer zur Verfügung.

Gemeinsam mit Kopf, Herz und Hand

Bis zum Jahr 2022 wollen die Projektbeteiligten Totholz in Baggerseen einbringen, Flachwasserzonen schaffen und dann die Auswirkungen auf die Biodiversität untersuchen. Der Effekt dieser Maßnahmen wird mit den Ergebnissen von traditionellem Fischbesatz verglichen. Begleitet wird das Projekt durch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsangebote und Aktionen am Gewässer.

Ein ganzheitliches Untersuchungsdesign

Insgesamt werden an 12 von 31 Baggerseen im Projekt lebensraumverbessernde Maßnahmen durchgeführt. In jeweils vier Gewässern wird Totholz an der Uferlinie eingetragen und Flachwasserzonen geschaffen. Ein weiteres Seen-Quartett wird mit Fischen besetzt. Zudem werden vier beangelte Baggerseen untersucht, an denen keine weiteren Maßnahmen erfolgen sowie eine Vierergruppe naturbelassener Seen ohne jede Nutzung. Die restlichen elf Gewässer werden im Laufe des Projektes einmal beprobt. An allen Gewässern beobachten die Baggersee Teammitglieder die Entwicklung der Flora und Fauna. Zur Überprüfung der Fischbestände sind jährliche Probebefischungen in Frühjahr und Herbst geplant. Den menschlichen Nutzen, den die Gewässer stiften, messen die Ökonomen des Teams mittels Befragungen. Das Projekt arbeitet eng mit den beteiligten Angelvereinen zusammen.

Zukunftsfähige Leitbilder entwickeln

Naturnahe Gewässer haben im Uferbereich viele Pflanzen, Wurzelwerk und Gesteinsformationen. Diese Strukturen nutzen Tiere als Unterschlupf oder Kinderstube (=strukturreich). Menschlich geschaffene Abraumgewässer sind aufgrund steiler Uferkanten und einer (noch) fehlenden Pflanzenbesiedlung teils strukturarm. BAGGERSEE möchte u. a. untersuchen, welchen Einfluss die Gewässerstruktur auf die Fischbiodiversität hat. Dazu untersuchen Forschende die Fischbestände in elf Gewässern mit unterschiedlichen Uferstrukturen. Zudem erhebt das Projekt die sonstige Artenvielfalt (Libellen, Vögel, Amphibien, Wirbellose, Pflanzen). Die Ergebnisse aus allen 31 Untersuchungsgewässern sollen in allgemeine Leitbilder zur Gestaltung von Baggerseen mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen münden.